Rückblick auf das erste Jahr „Theaterwerkstatt“ an der HLW
Im Rahmen des Schulfachs „MUBEKA“ (Musik, Bildernische Erziehung und Kreativer Ausdruck) fand heuer an der HLW Rankweil zum ersten Mal Theaterunterricht statt. Dazu trafen sich die Schülerinnen der drei ersten Klassen einmal im Monat entweder am Dienstag- oder am Donnerstagnachmittag zu ihren vierstündigen Theatereinheiten im Raum 211.
Nach der ersten Kennenlernrunde aller Theaterschülerinnen im September und Oktober waren wir dann – wie ja allseits bekannt – dazu gezwungen, ins WorldWideWeb abzutauchen, wo fleißig und engagiert die Arbeitsaufträge zum kreativen Schreiben erledigt, diverse Szenen verfasst und besprochen, Fotos gemacht und Audiodateien pünktlich auf Teams hochgeladen wurden.
Die vielen gesammelten Ideen und Beiträge konnten dann aber erst im neuen Jahr auf die Bühne gebracht werden. Dazu wurden zu Beginn jeder Theatereinheit Bänke und Stühle im Raum 211 schnell beiseite geräumt, die Bühnenelemente aufgeklappt und dann hieß es für alle Mädchen:
„Rauf auf die Bretter, die die Welt bedeuten!“
Auf der Bühne lernten die Schülerinnen zahlreiche Grundkompetenzen des Theaterspielens kennen und erprobten dabei gleichzeitig, wie es sich anfühlt, seine ganz individuellen Möglichkeiten auszuschöpfen und sich mit Gestik, Mimik, Stimme, Körperhaltung und vollem Körpereinsatz in unterschiedlichsten Rollen an unterschiedlichsten Orten zu unterschiedlichsten Zeiten einzubringen. Es wurden eigene und literarische Texte in monologischer und dialogischer Form vorgetragen, kürzere und längerer choreographische Auf- und Abgänge, Tanz- und Gesangseinlagen zum Besten gegeben, Bilder und Szenen mit einem „Freeze“ eingefroren und dann wieder zum Leben erweckt. Das eigene Tun stand im Mittelpunkt und so wurden an jedem Theaternachmittag zahlreiche Szenen zum Teil improvisiert, zum Teil gut durchdacht und gemeinsam erarbeitet den anderen Mitschülerinnen vorgezeigt. Große Anerkennung verdienen sich die Schülerinnen nicht nur für ihre tolle Mitarbeit, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass sie den Großteil des Theaterunterrichts heuer mit FFP2-Masken spielen mussten, was ihrer Spielfreude aber keinen Abbruch tat.
Es ist einfach unglaublich, wohin uns die Theaterreise in diesem Jahr überall geführt hat.
So wurde auf lieblichen Waldlichtungen, an einsamen Gipfelkreuzen, auf dunklen Dachböden, auf fernen Friedhöfen, in vollen Seilbahnkabinen, in gemütlichen Kellergeschossen, in zahlreichen Cafés, Schuhgeschäften, in wirklich professionellen Frisörsalons, in diversen Klassenzimmern, auf überfüllten Marktplätzen, in abenteuerlichen Höhlen, in ganz gewöhnlichen Lebensmittelgeschäften, in ziemlich engen Heißluftballons, in vielen diversen bekannten Fernsehsendungen, auf Baustellen, an finsteren Straßenecken, in chaotischen OP-Sälen, bei brutalen James-Bond-Verfolgungsjagden, in linksfahrenden Autos, auf rasenden Rollstühlen, in mit lauter Musik beschallten Reisebussen, auf übervollen Kreuzfahrtschiffen, in mondänen Fünfsternehotels, an coolen Bars, in Gotteshäusern, in Yogastudios, in Radiostationen, bei Talentwettbewerben, beim Gesangscontest, bei gewaltfreien Demonstrationen, in unterschiedlichen Therapiegruppen, bei Straßenschlägereien, in Museen, in Flugzeugkabinen, auf einsamen Inseln, in lustigen Seniorenheimen, an einer Verjüngungsquelle (geheimer Ort), im Tierheim, im Kreißsaal, im Flötenunterricht, in Restaurants etc. etc. gespielt.
Das Schauspiel der Mädchen umfasste die ganze Bandbreite an Emotionen. Auf der Bühne zeigten sie sich besorgt, weinerlich, gewissenhaft, einsam, freundlich, zärtlich, deprimiert, übermütig, feige, hypermotiviert, misstrauisch, frech, sympathisch, dankbar, lieb, leidenschaftlich, taktlos, neugierig, verwirrt, fröhlich, unternehmungslustig, ungezogen, berührt, bösartig, geduldig, eifersüchtig, brutal, empathisch, kritisch, entmutigt, rachsüchtig, aufgewühlt, stolz, verzweifelt, enttäuscht, lustig, euphorisch, rücksichtslos, ehrlich, spaßig, unbekümmert, selbstsicher, schüchtern, eingebildet, hysterisch …
Als Zuschauerinnen wurden wir unter anderem Zeuginnen …
… einer OP an einer bekannten Persönlichkeit, die die OP leider nicht übersteht, da sowohl die zuständige Anästhesistin als auch die hysterische, von Beziehungsproblemen geplagte Oberärztin nicht wirklich bei der Sache sind.
… eines Verhörs eines bekannten Drogendealers auf einem Polizeiposten, dem es gelingt, als großes Verkaufstalent dem Beamten seine neuesten Drogen schmackhaft zu machen, wodurch der Fall schließlich eine ganz andere Wendung nimmt.
… einer Ballontherapiefahrt zum Mond, bei der der Pilot blöderweise die Sauerstofftanks vergisst, weshalb er und seine Fluggäste – trotz erfolgreicher therapeutischer Behandlung – schlussendlich das Zeitliche segnen.
... einer wilden Autofahrt, bei der ein verletztes Eichhörnchen unter einer Brücke aufgefunden und dann gerade noch rechtzeitig in die Tierklinik gebracht werden kann.
… einer Diskussion von Überlebenden auf einer einsamen Insel, die über das Schiffsunglück, das sie vor 15! Jahren an diesen Ort brachte, philosophieren.
… einer spektakulären Bergrettungsaktion, bei der alle Fahrgäste der Seilbahn in 50 Meter Höhe glücklicherweise gerettet werden können.
… einer Auflösung eines kniffligen Kriminalfalls auf einem Kreuzfahrtdampfer, bei dem dann am Ende leider aus Versehen sowohl der Täter als auch die Täterin erschossen werden.
… und … und … und …
… und mir bleibt am Ende dieses Schuljahres nur noch dankbar, überaus zufrieden, laut und deutlich und aus voller Brust und Überzeugung in die Welt hinauszurufen:
„Was für ein Theaterauftakt!“
Anja Fussenegger-Mathis
PS: … und wenn Sie noch Lust auf weitere Einblicke in unsere Theaterwelt haben, dann schauen Sie doch beim Theaterfestival „trotzdem“ am Marktplatz in Rankweil vorbei. Wir freuen uns über Ihren Besuch.